Anfechtung der Erbeinsetzung durch die zweite Ehefrau

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Das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm hat entschieden: Hat der nach Scheidung wiederverheiratete Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt, kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament nach dem Tode des Ehemanns regelmäßig anfechten.

Im entschiedenen Fall heiratete der Erblasser 1982 seine erste Ehefrau und errichtete mit ihr im Jahr 2003 privatschriftlich ein gemeinschaftliches Testament. Hierin hatten sich die damaligen Eheleute wechselseitig zum alleinigen Erben des Erstversterbenden eingesetzt. Sie legten in einem Nachtrag auch fest, dass das Testament auch im Fall der Ehescheidung gelten solle. Die Ehe wurde 2011 geschieden. Kurz darauf heiratete der Erblasser seine zweite Ehefrau und errichtete mit dieser Anfang 2012 ein notarielles Testament, in dem er auch seine frühere -mit der ersten Ehefrau geschlossene- letztwillige Verfügung widerrief. Im Jahr 2013 verstarb der Ehemann. Zu Lebzeiten des Erblassers war das notarielle Testament aus dem Jahr 2012 der ersten Ehefrau nicht übermittelt worden. Die erste Ehefrau hielt das Testament aus dem Jahr 2003 für wirksam und stellte einen Antrag auf Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins. Die zweite Ehefrau erklärte indes die Anfechtung des Testaments aus dem Jahr 2003, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei.

Ein Erbschein wurde der ersten Ehefrau nicht erteilt. Das OLG führt hierzu aus, dass das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam durch die zweite Ehefrau des Erblassers angefochten worden sei. Dieses Testament habe aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute zwar nicht mit der Scheidung die Wirksamkeit verloren. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser es zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln. Die durch die zweite Ehefrau erklärte Anfechtung sei aber wirksam. Die Erbfolge richtete sich in der Folge nach dem mit der zweiten Ehefrau im Jahr 2012 errichteten Testament.

Für eine wirksame Anfechtung müssen einige Voraussetzungen vorliegen: Die Anfechtung muss binnen einer Frist erklärt werden und es muss überhaupt ein Sachverhalt vorliegen, nachdem ein Anfechtungsrecht gegeben ist. Dies ist dann der Fall, wenn ein Pflichtteilsberechtigter in der letztwilligen Verfügung übergangen wurde, der zur Zeit der Errichtung dieser Verfügung dem Erblasser nicht bekannt war, oder überhaupt erst nach Errichtung, also etwa durch Heirat, Pflichtteilsberechtigter wurde. Schließlich darf nicht zu vermuten sein, dass der Erblasser die in Frage stehende letztwillige Verfügung auch bei Kenntnis der späteren Sachlage getroffen haben würde.

Im vergleichbaren Fall, also etwa bei Vorliegen eines Testaments mit dem vorhergehenden Ehegatten, lohnt der Weg zum Experten. Eine Anfechtung ist oftmals ein Weg, um den Willen des Erblassers doch noch umzusetzen.

OLG Hamm, Beschluss v. 28.10.2014 – 15 W 14/14.

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