Ein Versicherer muss eine nachvollziehbare Begründung geben, wenn er aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht mehr zahlen will. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 19.11.2018 hervor. Die Versicherung müsse den Versicherungsnehmer insbesondere in die Lage versetzen, seine Prozessrisiken abschätzen zu können, wenn er die Mitteilung nicht akzeptiert
Streit um Leistungen aus Berufungsunfähigkeitsrente
Der Kläger hatte bei der Beklagten eine Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung abgeschlossen. Aus dieser erhielt er infolge einer durch unfallbedingt erlittene Beeinträchtigungen eingetretenen Berufsunfähigkeit Leistungen, die die Beklagte gegenüber ihm zunächst schriftlich und zeitlich unbefristet anerkannt hatte. Weniger als ein Jahr später teilte die Beklagte dem Kläger jedoch mit, dass die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr vorlägen und deshalb keine Versicherungsleistungen mehr erbracht würden. Der Kläger hat die Beklagte vor dem Landgericht unter anderem auf Zahlung der vereinbarten Berufungsunfähigkeitsrente in Anspruch genommen.
Gericht verweist auf uneingeschränktes Anerkenntnis
Gegen das der Klage stattgebende Urteil wandte sich die Beklagte mit der Berufung, die jedoch überwiegend keinen Erfolg hatte. Durch das uneingeschränkte Anerkenntnis habe der Versicherer die Möglichkeit verloren, sich später auf das Fehlen der beruflichen oder gesundheitlichen Voraussetzungen des Versicherungsfalls zu berufen oder eine zum Zeitpunkt der Abgabe bereits vorhandene Verweisungsmöglichkeit nachzuschieben, so das OLG Celle. Von ihrer Leistungspflicht könne die Beklagte nur unter den in den Versicherungsbedingungen vereinbarten besonderen Voraussetzungen wieder frei werden. Danach müsse der Versicherer keine Leistungen mehr erbringen, wenn der Versicherte aufgrund eingetretener Veränderungen nicht mehr (zu mindestens 50%) berufsunfähig ist und der Versicherer dies mitteile.
Änderung des Gesundheitszustandes des Versicherten aufzuzeigen
An eine solche die Leistungspflicht beendende Einstellungsmitteilung seien besondere Anforderungen zu stellen, unterstreicht das OLG. Insbesondere müsse sie eine nachvollziehbare Begründung für die Leistungseinstellung enthalten, die den Versicherungsnehmer in die Lage versetzt, seine Prozessrisiken abzuschätzen, wenn er die Mitteilung nicht akzeptiert. Dazu gehöre, dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer etwaig eingeholte Gutachten oder ärztliche Bescheinigungen zugänglich mache, auf die der Versicherer seine Entscheidung stützt, und dem Versicherungsnehmer die Vergleichsbetrachtung aufgezeigt werde, die nach Ansicht des Versicherers zur Beendigung der Leistungspflicht geführt hat. Dies erfordere eine Vergleichsbetrachtung des Gesundheitszustandes des Versicherten, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt habe, mit dem (angeblich) veränderten Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Leistungseinstellung.
Formelle Anforderungen nicht zu überspannen
Die formellen Anforderungen an eine solche Leistungseinstellung dürften nicht überspannt werden. Ein gesonderter Bescheid ist nach Ansicht des OLG nicht erforderlich. Vielmehr könne der notwendige Vortrag dazu, dass und ab welchem Zeitpunkt der Versicherte wieder berufsfähig sei und aus welchen veränderten Umständen sich dies ergebe, auch noch im Rechtsstreit selbst erhoben werden.
Bloße Gegenüberstellung ärztlicher Gutachten nicht ausreichend
Im zu entscheidenden Sachverhalt habe der Versicherer dazu aber nicht ausreichend vorgetragen, weshalb die Leistungspflicht der Beklagten fortbestehe. Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW-RR 1999, 1111) hob das OLG hervor, dass es insbesondere nicht genüge, dass der Versicherer lediglich die von ärztlichen Gutachtern geschätzten Grade der Berufsunfähigkeit zum damaligen und jetzigen Zeitpunkt gegenüberstelle. Wegen des den Ärzten zuzubilligenden Beurteilungsspielraums, der Raum für individuell unterschiedliche Schätzungen lasse, bestehe nämlich die Möglichkeit, dass verschiedene Ärzte demselben Gesundheitszustand verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit zuordnen. Deshalb lasse sich nicht ausschließen, wenn ein früheres und ein späteres Gutachten verschiedene Grade der Berufsunfähigkeit angeben, dass dem Unterschied keine Gesundheitsänderung, sondern lediglich verschiedene subjektive Maßstäbe der verschiedenen Gutachter zugrunde liegen. Eine unterschiedliche Bewertung des unveränderten Gesundheitszustandes gebe dem Versicherer aber kein Recht zur Leistungseinstellung.
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