Testament auf der Intensivstation

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OLG Hamm verpflichtet Klinik zur Herausgabe von Behandlungsunterlagen

In einem aktuellen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm wurde eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Die Klinik wurde verpflichtet, die Behandlungsunterlagen einer verstorbenen Patientin dem Gerichtsgutachter zur Verfügung zu stellen, um die Testierfähigkeit der Verstorbenen zu prüfen (Beschluss vom 13.06.2024 – 10 W 3/23). Der Fall verdeutlicht die rechtlichen Herausforderungen, die sich im Zusammenhang mit der Gültigkeit eines Testaments und der ärztlichen Schweigepflicht ergeben.

Hintergrund des Falls

Eine Frau hatte kurz vor ihrem Tod auf der Intensivstation ihr Testament geändert. Ursprüngliche Alleinerbin war ihre Schwester. Mit der Testamentänderung setzte die Erblasserin ihre Nichte und deren zwei Kinder als Erben ein. Diese neuen Erben waren zusätzlich mit einer postmortalen Vollmacht ausgestattet, um die Interessen der Verstorbenen zu wahren.

Die Schwester der Verstorbenen zweifelte die Testierfähigkeit ihrer Schwester zum Zeitpunkt der Testamentänderung an und beantragte die gerichtliche Überprüfung. Das Gericht bestellte daraufhin einen Gutachter, um die Frage der Testierfähigkeit zu klären. Doch die Klinik weigerte sich, die erforderlichen Behandlungsunterlagen herauszugeben, da sie sich auf die ärztliche Schweigepflicht und die postmortale Vollmacht der neuen Erben berief.

Entscheidung des OLG Hamm

Das OLG Hamm stellte klar, dass die ärztliche Schweigepflicht ein höchstpersönliches Recht der Verstorbenen ist und nicht vererblich sei. Die postmortale Vollmacht zugunsten der Nichte und ihrer Kinder ändere daran nichts. Zudem stammte diese Vollmacht aus demselben Zeitraum wie das Testament und könne daher ebenfalls von der behaupteten Geschäftsunfähigkeit betroffen sein.

Entscheidend war für das Gericht der mutmaßliche Wille der Verstorbenen. Das OLG ging davon aus, dass die Erblasserin im Zweifel eine Klärung ihrer Testierfähigkeit gewünscht hätte. Es sei im typischen Interesse eines Erblassers, etwaige Zweifel an der Wirksamkeit seines Testaments auszuräumen.

Fazit

Dieser Fall zeigt, wie komplex die rechtlichen Fragen rund um Testierfähigkeit, ärztliche Schweigepflicht und Vollmachten sein können. Für Erblasser ist es ratsam, klare Regelungen zu treffen, um Streitigkeiten nach ihrem Tod zu vermeiden. Für Erben kann es sinnvoll sein, frühzeitig Rechtsrat einzuholen, um rechtliche Auseinandersetzungen wie in diesem Fall zu verhindern.

Die Kosten des Verfahrens wurden der Klinik auferlegt.

OLG Hamm, Beschluss vom 13.06.2024 – 10 W 3/23

Quelle: Mitteilung beck-aktuell

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