Das Oberlandesgericht Hamm hat am 11.04.2013 entschieden, dass ein Vorerbe Vollerbe wird, wenn der Erblasser testamentarisch verfügt hat, dass der Vorerbe frei über den Nachlass verfügen könne, wenn die zu Nacherben eingesetzten Kinder des Erblassers ihren Pflichtteil verlangen und dieser Fall eintritt.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte ein Erblasser seine zweite Ehefrau zur Vorerbin eingesetzt und seine Kinder aus erster Ehe zu Nacherben. Ebenfalls verfügte er, dass die Vorerbin „frei“ über den Nachlass verfügen könne, falls mehr als eines seiner Kinder den Pflichtteil geltend machte. Nach dem Tod des Erblassers zahlte seine Ehefrau an jedes Kind aufgrund eines notariellen Vertrages einen Geldbetrag zur Abfindung ihrer erbrechtlichen Ansprüche.
Das zuständige Grundbuchamt verweigerte jedoch die Eintragung der Ehefrau als Erbin eines im Nachlass befindlichen Grundstücks ohne Eintragung eines Nacherbenvermerks. Der 15. Zivilsenat des OLG Hamm gab der Beschwerde der Ehefrau gegen die Entscheidung des Grundbuchamts statt. Aufgrund des notariellen Vertrages zwischen der Ehefrau und den Kindern des Erblassers seien die Pflichtteile der Kinder geltend gemacht worden. Die Auslegung der letztwilligen Verfügung des Erblassers ergebe, dass seine Ehefrau für diesen Fall von den Beschränkungen der Nacherbschaft befreit sei und somit zur Vollerbin werde. Anders könne die Bestimmung, dass sie frei über den Nachlass verfügen könne, nicht interpretiert werden.
OLG Hamm, 11.04.2013, 15 W 112/13
Quelle: Pressemitteilung OLG Hamm
Anmerkung: Die Erbeinsetzung als Vorerbe bedeutet, dass dieser nicht frei über den Nachlass verfügen kann, sondern die Substanz für die Nacherben erhalten muss. Um zu verhindern, dass ein Vorerbe ein Grundstück zum Nachteil der Nacherben veräußert, wird ein Nacherbenvermerk in das Grundbuch aufgenommen.
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